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03.2021

Impfung

Die Impfung - nur ein kleiner Pieks oder doch eine große Sache?

Infolge der Corona-Pandemie, die nun seit etwa einem Jahr unseren Lebensalltag bestimmt und zum Dauerthema in politischen Diskussionsrunden und Talkshows wurde, ist nun auch das Thema Impfen wieder in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt.

Vor allem getrenntlebende oder geschiedene Eltern können sich zuweilen nicht darüber einigen, ob die Sprösslinge nun „durchgeimpft“ werden sollen oder nicht.
Dazu muss man wissen, dass auch nach einer Trennung oder Scheidung für die Kinder grundsätzlich das gemeinsame Sorgerecht fortbesteht.
Die elterliche Sorge umfasst sowohl die Personensorge, als auch die Vermögenssorge für das Kind einschließlich seiner Vertretung in diesen Bereichen.
Zur Personensorge gehört u. a. die so genannte Gesundheitsfürsorge, diese beinhaltet auch die Entscheidung über Impfungen.

In einem Fall, den der Bundesgerichtshof vor einigen Jahren zu entscheiden hatte, stritten die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern einer vierjährigen Tochter über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen.
Die Mutter vertrat als Impfgegnerin die Auffassung, dass das Risiko von Impfschäden das Infektionsrisiko überwiege.
Der Vater dagegen befürwortete die von der ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (STIKO) empfohlenen Schutzimpfungen.
Um die anstehende Masernimpfung seiner Tochter durchzusetzen, beantragte er beim Familiengericht die Alleinübertragung der Gesundheitsfürsorge, die Mutter stellte einen gleichlautenden Antrag mit dem Ziel, ebendiese Impfung zu verhindern.

Grundsätzlich hat bei getrenntlebenden bzw. geschiedenen Elternteilen in so genannten „Angelegenheiten des täglichen Lebens“ der betreuende Elternteil die alleinige Entscheidungsbefugnis.
Diese erstreckt sich im Bereich ärztlicher Maßnahmen u. a. auf Routineuntersuchungen und die Behandlung leichterer Erkrankungen und Verletzungen (z. B. Erkältungen, aufgeschürftes Knie etc.).
Schutzimpfungen des Kindes sind aber Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Die Entscheidung, ob das Kind während der Minderjährigkeit gegen eine bestimmte Infektionskrankheit geimpft werden soll oder nicht, ist generell nur einmal zu treffen und damit gerade keine Alltagsangelegenheit.
Können sich die Eltern in einer solchen Frage nicht einigen, hat das Gericht die Entscheidungskompetenz demjenigen Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Kindeswohl am besten gerecht wird.

Im geschilderten Fall wurde dem Vater die Entscheidungsbefugnis im Hinblick auf die Durchführung von Impfungen übertragen.

Der Bundesgerichtshof vertrat die Auffassung, der Vater sei für die Entscheidung über die Durchführung der Impfungen besser geeignet, da er diesen offen gegenüberstehe und sich dabei an den Impfempfehlungen der STIKO orientiere, die in der ständigen Rechtsprechung des BGH als medizinischer Standard angesehen werden.

Dazu ein Hinweis:
Speziell für Masern-Impfungen besteht mittlerweile eine Impfpflicht.
Das Masernschutzgesetz sieht in concreto vor, dass alle Kinder beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten die von der STIKO empfohlenen Masernimpfungen vorweisen müssen.

Ob und ggf. wann es Corona-Schutzimpfungen für Kinder und Jugendliche geben wird, ist indessen noch ungewiss, so wie vieles andere in diesen Tagen.


Text: Birgit Schwerter, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht



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